Raffaello Santi (1483-1520)
Selbstportrait im Alter von 23 Jahren
Uffizien, Florenz
Die Lehrjahre von Raffael
Raffael (italienisch: Raffaello Santi oder Raffaello Sanzio) zählt neben Leonardo da Vinci und Michelangelo zu den bedeutendsten Künstlern der Hochrenaissance. Neben seiner Arbeit als
Maler in Florenz und am päpstlichen Hof in Rom war er auch Bauleiter des
Petersdoms.
Raffaelo Santi wurde vermutlich am 6. April 1483 in Urbino geboren, an einem
Karfreitag, was kurios ist, weil er am gleichen Tag, dem 6. April 1520, wieder an einem Karfreitag,
in Rom starb.
Er war der Sohn des Goldschmieds Giovanni Santi, der auch als Maler arbeitete.
Durch seinen Vater bekam er früh Kontakt zu gebildeten Humanistenkreisen und
erhielt schon als Kind die erste Ausbildung in der Malerei.
Doch bereits im Jahr 1494 verstarb Raffaels Vater. Der erst elfjährige Knabe
trat als Schüler in die Werkstatt des Pietro Vanucci, genannt Perugino, ein.
Perugino galt als großer Maler, war er doch von Papst Sixtus IV nach Rom gerufen
worden, um bei der Ausschmückung der Sixtinischen Kapelle mitzuwirken, wo er die
Schlüsselübergabe an den heiligen Petrus malte. Perugino unterhielt zwei
Werkstätten, eine in Florenz und eine in Perugia, wo der junge Raffael lernte.
Hier gelang es ihm, sich dem Stil Peruginos so weit anzunähern, dass die
Unterscheidung der Werke beider Künstler aus dieser Zeit oft nur mit Mühe
möglich ist. Und schon im Jahr 1500 wurde Raffael in einem überlieferten Vertrag
für ein Altarwerk als maestro, also Meister, bezeichnet. Denn mittlerweile
stellte er seinen Lehrer in den Schatten, dessen Figuren von oft manieristischer
Anmut sind, mit süßlichen Farben gemalt, im Rhythmus etwas monoton und wie
abgezirkelt.
Raffael fand, obwohl stark von Perugino beeinflusst, seinen eigenen Stil in
einer lebendigeren Malerei, in der das Landschaftselement eine neue Bedeutung
erreicht und andere Farbtöne dominieren. Geprägt ist Raffaels Stil auch von den
geometrisch klar gestalteten Bildern Piero della Francescas.
Madonna del Belvedere (1506)
Uffizien, Florenz
Raffael in Florenz
Seine ersten großen Werke entstanden in diesen Jahren um 1500. Neben der
Londoner Kreuzigung schuf er die Krönung Mariae, die heute im Vatikan zu
besichtigen ist, und die Vermählung der Maria, die sich jetzt in Mailand
befindet. Beim Heiligen Michael malte Raffael Fabeltiere, die von den Werken des
Hieronymus Bosch inspiriert waren.
Im Jahre 1504 kam er mit einem Empfehlungsschreiben des
Urbinischen Hofes nach Florenz, wo schon seine Kollegen Michelangelo Buonarotti
und Leonardo da Vinci Berühmtheit erlangt hatten. Er befreundete sich mit dem
mächtigen Taddeo Taddei, in dessen Palast er wohnte. Ein weiterer Florentiner
Freund Raffaels, der Maler Fra Bartolomeo, brachte ihn mit dem
fundamentalistischen Christentum des 1498 hingerichteten Girolamo Savonarola in
Kontakt.
Auch während seiner Florentiner Zeit waren die Madonnenbilder, die er schuf,
hoch geschätzt. Raffael, der nun intensiv die Werke Leonardo da Vincis
studierte, schuf in Florenz etwa 15 Madonnen, die zu seinen besten zählen. Die
berühmteste dieser Madonnen ist die Madonna mit dem Stieglitz, die heute in den
Uffizien gezeigt wird. Außerdem entstanden in dieser Zeit vielfigurige
Altarkompositionen.
Auf Empfehlung seines Onkels Donato Bramante, der unter Papst Julius II mit dem
Neubau des Petersdoms und des Vatikans beauftragt war, kam Raffael schließlich
1508 nach Rom.
Die Schule von Athen (1509-1510)
Stanzen, Vatikan
Raffael in Rom
Hier erhielt er den Auftrag, die päpstlichen Gemächer, die so
genannten Stanzen, mit Fresken zu schmücken. Auch der Julius II nachfolgende
Papst Leo X war von seinen Arbeiten fasziniert und zeigte Raffael seine Gunst.
So entstanden zwischen 1509 und 1517 seine berühmtesten Werke, begonnen mit dem
Sitzungszimmer Stanze della Segnatura mit der berühmten Schule von Athen, einer
Darstellung der philosophischen Wissenschaften. Das Zentrum bilden Platon und
Aristoteles, um die sich die anderen Philosophen wie Pythagoras, Heraklit,
Sokrates oder Diogenes gruppieren. Aber auch der keinesfalls papstfreundliche
Dante, zudem noch dargestellt als Theologe, und der ein Jahrzehnt zuvor in
Florenz hingerichtete Girolamo Savonarola fanden Aufnahme in das Fresco.
Ein weiteres Fresko ist der Parnass, in dessen Mitte Apollo mit einem
Streichinstrument thront, umgeben von den neun Musen und Dichtern der Antike wie
Homer, Vergil und Ovid.
Während seiner Arbeiten im Vatikan lernte Raffael Michelangelo kennen, der zu
dieser Zeit mit der Ausschmückung der Sixtinischen Kapelle befasst war. Auch der
Stil Michelangelos beeinflusste Raffaels Arbeiten seit dieser Zeit.
Die Wandgemälde der Stanzen preisen die Künste, die Religion und
die Philosophie und gelten als absolute Meisterwerke der Hochrenaissance. In der
Befreiung Petri oder auch in der Vertreibung des Heliodor verband Raffael zudem
religiöse Inhalte mit aktuellen politischen Ereignissen. Diese vielschichtige
Ikonographie geht auf Anregungen des Papstes zurück, der seine
religionspolitischen Vorstellungen auch in der Kunst zum Ausdruck bringen
wollte.
Die durchdachten Eingriffe Raffaels in die vorgegebenen Themen lassen das
humanistisch geprägte kulturelle Klima des Roms seiner Zeit auf außergewöhnliche
Weise zum Ausdruck kommen. Die Fresken der Stanzen stellen einen Höhepunkt der
europäischen Malerei dar. Das Wahre, Gute und Schöne ergänzen einander und
führen zur Verschmelzung von antikem und christlichem Denken. In den klaren und
ausdrucksvollen Bildern entsprechen sich Form und Inhalt aufs Vollkommenste.
In dieser Zeit entstand auch sein berühmtestes Madonnenbild, die Sixtinische
Madonna, die sich heute in der Gemäldegalerie von Dresden befindet, und deren
zauberhafte Putten zahllose Zitate der Populärkultur auf allen möglichen
Gegenständen der heutigen Zeit finden.
Portrait des Papstes Leo X mit zwei Kardinälen (1518-1516)
Uffizien, Florenz
Portraits und Selbstportraits
Doch Raffael schuf auch hervorragende Portraits, so das des
Humanisten Graf Baldassare Castiglione, mit dem er befreundet war, das des
Papstes Julius II und das des Papstes Leo X mit zwei Kardinälen. Diese Portraits
zeigen souveräne Charaktere der Renaissance im Licht eines edlen Kolorits, das
für Jahrhunderte vorbildlich blieb. Raffaels reifer Malstil ist von hoher
Idealität geprägt, die sich mit menschlicher Wärme und Natürlichkeit verbindet.
Selbstportrait (Zeichnung), im Alter von etwa 15 Jahren
Uffizien, Florenz
In allen Phasen seines Lebens schuf er Selbstportraits, angefangen mit einer
Zeichnung, die er im Alter von 15 Jahren anfertigte, über das Selbstbildnis im
Palazzo Pitti in Florenz, das ihn als Zweiundzwanzigjährigen zeigt, bis hin zu
seinen Portraits in der Schule von Athen und der Vertreibung des Helidor im
Vatikan.
Portrait des Humanisten Graf Baldassare Castiglione (etwa
1515)
Paris, Musée du Louvre
Raffael als Architekt
Neben anderen Aufträgen, die ihm am päpstlichen Hof verkehrende
Persönlichkeiten erteilten, wurde Raffael nach Bramantes Tod 1514 als Bauleiter
für Sankt Peter eingesetzt. Als Architekt schuf er den Grundriss der Kathedrale
auf Basis eines lateinischen Kreuzes, während sein Vorgänger noch ein
griechisches Kreuz vorgesehen hatte. Erhalten blieben zahlreiche weitere
Entwürfe und Architekturzeichnungen Raffaels aus dieser Zeit. Außerdem wurde er
zum Aufseher der antiken Gebäude und Leiter der Ausgrabungen bestellt, zudem
beauftragte der Papst ihn mit Entwürfen für die zehn prächtigen Wandteppiche der
Sixtinischen Kapelle, die dann in Brüssel gewebt wurden.
Obwohl Raffael ein gewaltiges Arbeitspensum bewältigte, ließ dieser umfangreiche
Aufgabenbereich ihm kaum noch Zeit, die Werke der Malerei selbst auszuführen,
sodass er es mehr und mehr den fünfzig Schülern seiner gut organisierten
Werkstatt, allen voran Giulio Romano, überließ, die Aufträge auszuführen.
Die Sixtinische Madonna, eines der berühmtesten Gemälde der italienischen
Renaissance,
nicht nur wegen der beiden Putten.
Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden
Der frühe Tode des genialen Künstlers
Es entstanden noch der Amor- und Psyche-Freskenzyklus in der
Farnesina, der von nachfolgenden Künstlern als beispielhaft empfunden wird,
sowie die Fresken der vatikanischen Loggien, die biblische Szenen darstellen und
als „Bibel Raffaels“ bezeichnet werden. Raffaels letztes eigenhändig gemaltes
Werk war die Verklärung Christi, die sich heute in der Pinakothek des Vatikans
befindet und nie vollendet wurde.
Denn an seinem Geburtstag, dem 6. April 1520, einem Karfreitag, starb Raffael im
Alter von nur 37 Jahren und wurde im Pantheon beigesetzt. Ganz Rom trauerte um
den hoch verehrten Künstler. Über die Ursache seines frühen Todes wird
gemunkelt, dass der zwar kleine, aber freundliche und gut aussehende, allseits
beliebte Künstler, der die Frauen sehr liebte, sich mit der Syphilis infiziert
hatte und an deren Folgen verstarb. Andere Vermutungen gehen dahin, dass er am
Sumpffieber tödlich erkrankte. Unbestritten jedoch ist, dass Raffael die nach
ihm kommenden Künstlergenerationen nachhaltig beeinflusste und zu den
herausragendsten Meistern der Hochrenaissance zählt.
Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Erlaubnis der
Redaktion von Sempre Italia.