In allen italienischen Regionen gibt es Dialekte, die in der Bevölkerung
stark verwurzelt sind
und die oft sehr wenig mit dem Standard-Italienisch zu
tun haben.
Die italienischen Dialekte sind nicht die Ausnahme sondern die Regel!
Ich hatte gerade ein Jahr lang intensiv italienisch gelernt und konnte mich
mit mit meinen italienischen Freunden in Deutschland schon einigermaßen
in ihrer Sprache unterhalten, als ich eine Reise nach Ischia machte. Es war eine Katastrophe.
Ich verstand praktisch nichts von dem, was die Leute dort sagten und war
reichlich frustriert. Niemand hatte mich darauf vorbereitet, dass die Dialekte
das Italienische in vielen Regionen so gut wie total ersetzt.
Seitdem ich in Italien lebe (in der Region Venetien), habe ich mich daran
gewöhnt und habe auch bemerkt, dass der Dialekt hier nicht nur auf dem
Markt, bei den so genannten "einfachen Menschen", allgegenwärtig ist,
sondern auch auf der Bank und sogar, wenn die Professoren der Universität
sich miteinander unterhalten. Der lokale Dialekt ist überall "hoffähig" und
wird nirgendwo als minderwertiges Italienisch betrachtet. Viele ältere Leute
können oft
auch heute noch gar kein Italienisch, oder haben zumindest große Mühe, sich in der
italienischen Hochsprache verständlich zu machen.
Die Widerstandskraft der Dialekte:
Vor der Einigung Italiens 1861 hatten die frisch gebackenen Italiener enorme
Verständnisschwierigkeiten untereinander. Die Venezianer verstanden die
Mailänder nicht, für diese war die Sprache in Florenz oder in Rom ein Rätsel
und alle zusammen verstanden kaum ein Wort von dem, was die Neapolitaner
oder Sizilianer sagten. Bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts hat
sich daran nur wenig geändert. Die italienische Hochsprache war die Sprache
der Politik, der Verwaltung, der Zeitungen und der Literatur, die zwar alle verstanden, aber nur wenige sprachen. Erst die
Allmacht des Fernsehens hat die Dialekte in der Bevölkerung (die wesentlich
stärker verwurzelt sind als in Deutschland) etwas zurückgedrängt.
Der
italienische Staat war seit seiner Gründung bis in die jüngste Zeit straff
zentralistisch organisiert. Das hat aber nichts daran geändert, dass viele
Italienier sich auch heute noch in erster Linie als Sizilianer, Römer,
Toskaner, Venezianer oder Lombarden verstehen und erst in zweiter Linie als
Italiener. Das schlägt sich natürlich auch in der Sprache nieder.
In letzter Zeit gibt
es auf politischer und administrativer Ebene stärkere föderalistische
Tendenzen, die auch den Gebrauch der Dialekte wieder verstärken.
Einige Beispiele:
Im folgenden
einige Beispiele dafür, wie stark sich die Dialekte von der italienischen
Hochsprache unterscheiden können.
Ein banaler Satz wie "Heute ist Donnerstag" - auf Italienisch "Oggi
è giovedì" - wird im Munde eines Venezianers "oncò se sobia" (geschrieben
"oncò xe xobia"). Und wenn eben dieser
Venezianer dem Satz die Frage "Gheto capio?" hinzufügt, dann bedeutet
das, übersetzt auf Italienisch "Hai capito?" d.h. "Hast du verstanden?"
Einer der (auch von den Italienern) gefürchtesten Dialekte ist der
von Bergamo (in der Lombardei). Eine dort übliche Redewendung ist z.B.
"Ciàpèn da chi che'l piàns e daghèi a chè'l che'l grègna", eine
Lebensweisheit, die auf italienisch wäre: "Prendi soldi da chi si lamenta
e danne a chi sorride", auf Deutsch: "Nimm das Geld von dem, der sich
beschwert, und gib es dem, der lächelt". Die Bauernweisheit, dass man beim
Schweineschlachten nichts wegwerfen sollte, drückt der Italiener mit den
Worten aus: "Del maiale non si butta via nulla", in Bergamo wird daraus:
"Del sunì a s'böta vià negótt."
Der Toskanische Dialekt ist dagegen nicht sehr weit von der
italienischen Hochsprache entfernt, nicht umsonst basiert die heutige
italienische Hochsprache auf dem Toskanischen. Berühmt ist der dortige
Dialekt allerdings vor allem durch eine sehr kuriose Eigenart der
Aussprache: das "c" wie in "Coca Cola" wird bei den Toskanern zu "h",
das berühmte Getränk wird also zu "Hoha Hola" (das ist kein Witz) und wenn Sie diese Coca Cola mit
einem Strohhalm trinken ("con la cannuccia") dann wird das in Florenz
eine "Hoha Hola hon la hannuccia".
In Neapel wird das schöne Wort "baciare" (küssen) zu "vasare",
während "odiare" (hassen) "abburrire" gennant wird. Der Apfel ("mela")
wird zu "milo", die Birne ("pera") wird zu "piro". Das Geschäft
("negozio") verwandelt sich in "putìa" und wenn Sie dort Spaghetti
suchen, finden Sie sie unter "vermiceddri".
Wenn Ihnen in Sizilien jemand "Ti vogghiu" sagt, meint er (oder sie)
"Ti amo" und der Satz "ich gehe zur Arbeit" (auf Italienisch: "Vado a
lavorare") wird im Sizilianischen "Vaiu a travagghiare".
Für den Touristen...
Für den Touristen, der ein wenig Italienisch gelernt hat und das auch in
Italien anwenden will, kann das ein Problem sein. Viele Italiener versuchen
allerdings, Ausländern sprachlich entgegenzukommen, auch wenn
es ihnen nicht immer gelingt...
Auf jeden Fall sollte man nicht erwarten, dass man in Italien immer so spricht,
wie man es im Sprachkurs gelernt oder auf Sprach-DVDs gehört hat!